Am 29. und 30. Juni finden im „Transdanubia Athletic. Sport. Zentrum.“ in Linz die Leichtathletik Staatsmeisterschaften der Allgemeinen Klasse statt. Zum insgesamt 12. Mal werden diese in der oberösterreichischen Landeshauptstadt ausgetragen, zuletzt war 2017 das Stadion auf der Gugl wenige Jahre vor dem Abriss Austragungsort. Auf der aktuellen Anlage in der Wieningerstraße war die heimische Elite zuletzt 1976 zu Gast. Neben dem Kampf um 32x Gold, Silber und Bronze ist Linz für einige Athleten aber auch eine wichtige letzte Station im Qualifikations-Prozess für Olympia 2024. Am letzten Wochenende des Qualifikationszeitraum gibt es für die Meistertitel 100 Bonuspunkte für das entscheidende World-Ranking. Die Wetterprognosen sind mit rund 30 Grad vielversprechend.

Die Freiluft-Titelkämpfe werden wie gewohnt auf Streamster.tv zur Gänze im Livestream übertragen.

Nach der EM ist vor Olympia

Österreichs Olympia-Starter zeigten im Frühjahr schon tolle Leistungen, mit den Staatsmeisterschaften als nächstem Saisonhöhepunkt beginnt nun die heiße Phase in Richtung Paris Anfang August. Von den vier fix für Paris qualifizierten Athleten sind drei mit dabei, nur Marathonläuferin Julia Mayer (DSG Wien) fehlt verständlicherweise.

Für Speerwurf-Ass Victoria Hudson (SVS LA) verlief das Frühjahr bereits sensationell, als Nummer 2 der Jahresweltbestenliste konnte sich die Niederösterreicherin in Rom den Europameistertitel sichern. Erst vor wenigen Tagen besiegte sie erstmals Weltmeisterin Haruka Kitaguchi (JPN), der Rekordwurf auf 66,06m rutscht da in der Aufzählung der vielen Erfolge schon weiter nach hinten. In Linz geht die 28-Jährige nun auf ihren sechsten Staatsmeistertitel los, bevor es zu zwei Auftritten in der Diamond-League weitergeht.

Vize-Europameister im Diskuswurf darf sich Lukas Weißhaidinger (ÖTB OÖ LA) seit wenigen Wochen nennen, in Rom gelang dem Oberösterreicher mit Silber sein bisher größter Erfolg. Bereits acht Staatsmeistertitel hat der 32-Jährige in seiner Paradedisziplin geholt, in seinem Heimatbundesland werden sicher besonders viele Fans dabei sein, wenn er zum 9. Mal Gold auf Gold losgeht. Die im Frühjahr bewiesen Form ist überragend, die neue Technik sitzt also bereits.

Susanne Gogl-Walli (TGW Zehnkampf Union) hat ihre Saison über 400m ganz auf Paris ausgerichtet, dort soll der Formhöhepunkt sein. Daher ist der Finaleinzug bei der EM umso höher einzuschätzen, zwei tolle Läufe auf hohem Niveau brachten der Oberösterreicherin Rang 7 in Rom. Die Anlage in Linz kennt die 28-Jährige genau, absolviert sie doch einen Großteil ihrer Trainings dort. Ziel ist wieder das Double über 200m und 400m, das die Linzerin in den letzten beiden Jahren jeweils geschafft hatte.

Mehrere Athleten noch im Rennen um die Olympia-Startplätze

Für voraussichtlich fünf Athleten geht es in Linz neben Titelehren auch noch um wichtige Bonuspunkte, um über den zweiten Qualifikationsweg „World Ranking“ noch auf den Zug nach Paris aufzuspringen.

Am besten platziert ist aktuell Mittelstreckler Raphael Pallitsch (SVS LA). Über 1500m stehen in Paris 45 Startplätze zur Verfügung, der Burgenländer liegt nach seinem überraschenden sechsten Platz bei der EM als Bestplatzierter hinter den Fix-Qualifizierten auf Position 34 und sollte sein Olympia-Ticket so gut wie fix haben. Da für den 34-Jährigen eine Verbesserung im Ranking bei den Staatsmeisterschaften nahezu unmöglich ist, verzichtet er auch nach dem intensiven Frühjahr auf einen Start und bereitet sich aktuell auf der Turracher Höhe und danach in Livigno (SUI) auf Paris vor.

Ebenfalls einen ausgezeichneten Auftritt bei der EM hatte Karin Strametz (SU Leibnitz) über die 100m Hürden mit Platz 10, mit neuer PB von 12,87s verpasste sie das Finale nur hauchdünn. Im „Road-to-Paris“-Ranking ist die 26-Jährige bei 40 zugelassenen Hürdensprinterinnen aktuell auf dem letzten dieser Plätze und somit dem „Schleudersitz“ klassiert. Die Rückenwindgarantie und die aktuell starke Form sollten der Steierin aber in Linz gute Möglichkeiten geben, hier noch einmal hilfreiche Punkte zu sammeln.

Eine starke Saison zeigte bisher auch schon 110m-Hürdenläufer Enzo Diessl (SU Leibnitz), der den Umstieg von den Juniorenhürden in die Allgemeine Klasse problemlos schaffte. Mehrfach hat der Steirer bereits den ÖLV-U23-Rekord verbessert du es damit zur EM nach Rom geschafft. Gerade dort passierten ihm eigenen Angaben zufolge die „schlechtesten Rennen“ des Jahres, die daraus gewonnenen Erkenntnisse sollten ihm aber in Richtung Olympiaqualifikation Aufwind geben. 40 Athleten werden in Frankreich mit dabei sein, der 20-Jährige liegt derzeit auf Platz 36 und kann sich mit einem starken Lauf in Linz im Ranking noch deutlich verbessern, da er noch einen schwächeren Wert aus der Hallensaison in der Berechnung hat.

Österreichs schnellster Mann Markus Fuchs (Union St.Pölten) war ebenfalls bei der EM mit dabei, das Semifinale über 100m war aber wegen des zu leisen Fehlstartsignals eher der Kategorie „skurril“ zuzuordnen. Der Niederösterreicher zeigte aber heuer schon konstant gute Rennen und ist auf einem guten Weg einen der 56 Startplätze für Paris zu erhalten, seine aktuelle Position im Ranking ist 49.

Auch Magdalena Lindner (Union St.Pölten) hat über die 100m noch Außenseiter-Chancen auf ein Olympia-Ticket. 56 Startplätze gibt es in dieser Disziplin, in der gestern veröffentlichten Rangliste liegt die Niederösterreicherin auf Platz 71. Mit guten Bedingungen in Linz und einem Resultat im Bereich 11,30 Sekunden ist ein Sprung nach vorne durchaus noch möglich.

Durchaus gute Chancen in Paris mit dabei zu sein hätte auch die letztjährige WM-Teilnehmerin Lena Pressler (Union St.Pölten) über die 400m Hürden gehabt. Eine vor einigen Wochen erlittene Fußverletzung verhinderte aber sowohl einen EM-Start als auch die weitere Jagd nach der Paris-Qualifikation, trotz intensiver Bemühungen geht sich für die Titelverteidigerin ein Start bei den Staatsmeisterschaften aber noch nicht aus.

Weitere spannende Entscheidungen erwartet

Über 400m Hürden bei den Männern kommt es zum wiederholten Male zum Duell zwischen EM-Teilnehmer und Titelverteidiger Leo Köhldorfer (ULC Linz Oberbank) und Niklas Strohmayer-Dangl (Leichtathletik Akademie Eisenstadt). Über die 400m flach gibt es vier Kandidaten, die im 47er-Bereich laufen können, noch knapper dürfte aber die Entscheidung über die halbe Stadionrunde werden, wo gleich 7-8 Sprinter für den Titel in Frage kommen.

Zu einer knappen Entscheidung könnte es im Stabhochsprung der Frauen kommen, EYOF-Siegerin Magdalena Rauter (ATSV Innsbruck) und Lisa Gruber (LAC BMD Amateure Steyr) haben heuer bereits die 4m-Marke übersprungen, als „Dark Horse“ könnte Vera Vacik (ATSV OMV Auersthal – Athletics 22) in den Titelkampf eingreifen. Im 1500m-Bewerb der Frauen ist die Situation ähnlich, gleich mehrere Läuferinnen liegen in der Meldeliste knapp beisammen, es zeichnet sich eine Sprintentscheidung ab. In Abwesenheit von Lena Pressler ist über die 400m Hürden ein knappes Duell zwischen den beiden letztjährigen U23-EM-Teilnehmerinnen Anja Dlauhy (ULC Riverside Mödling) und Anna Mager (TS Jahn Lustenau) sehr wahrscheinlich.

Im Dreisprung der Männer fällt der große Favorit Endiorass Kingley (TGW Zehnkampf-Union) weiter aus, der Oberösterreicher muss nun nach der EM auch die Staatsmeisterschaften auf seiner Heimanlage auslassen. Seine bei den Balkan Championships erlittene Muskelverletzung lässt heuer keinen Start mehr zu, der Wettkampf in dieser Disziplin scheint daher sehr offen zu sein. Bei den Frauen könnte es einen Heimsieg geben, falls Jana Schnabel (ULC Linz Oberbank) ihren dritten Freilufttitel nach 2022 und 2023 holen kann. Bei den Männern im Stabhochsprung wird höchstwahrscheinlich kein Weg an Riccardo Klotz (ATSV Innsbruck) vorbeiführen, ebenso an Samuel Szin (ULC Riverside Mödling) im Weitsprung. Selbiges gilt im Hochsprung der Männer für Lionel-Afan Strasser (ATSV OMV Auersthal – Athletics 22) der, wenn fit, der klare Favorit auf Gold ist. Andreas Steinmetz (SVS LA) ist heuer aber nur um 2cm weniger hoch als der Titelverteidiger gesprungen.

Traditionell spielen die starken heimischen Siebenkämpferinnen im Weitsprung und Hochsprung der Frauen eine große Rolle. Das wird diesmal anders sein, denn die Top-4 sind diesmal in diesen Disziplinen nicht mit dabei. Sarah Lagger (TGW Zehnkampf Union) und Isabel Posch (TS Lustenau) versuchen beim Mehrkampf-Meeting in Hexham (GBR) ihre Position im Olympia-Ranking noch zu verbessern, Verena Mayr (Union Ebensee) muss nach überstandener Krankheit überhaupt pausieren. Im Olympia-Ranking liegt die Mehrkampf-Staatsmeisterin seit gestern auf Platz 24 bei 24 Startplätzen, muss also hoffen nicht mehr überholt zu werden. Ivona Dadic (Union St.Pölten) kann wegen Problemen mit einem Nerv im Oberschenkel derzeit nicht sprinten oder bei Sprungdisziplinen anlaufen, daher wird sie nur im Kugelstoß und Speerwurf antreten, in der ersten der beiden Disziplinen ist die 30-Jährige auch zu favorisieren. Somit scheint im Hochsprung der Weg zur Titelverteidigung für Christiane Krifka (SVS LA) frei zu sein, gleiches gilt nun auch im Weitsprung für Ingeborg Grünwald (Union Salzburg LA), die als Jahresbeste wieder Gold holen will.

In beiden 800m-Rennen gibt es wie schon 2023 wieder klare Favoriten, sowohl Caroline Bredlinger (LT Bgld Eisenstadt) als auch Elias Lachkovics (SVS LA) sind jeweils deutlich die Jahresbesten. Selbiges Bild zeigt sich auch im Diskus- und Hammerwurf der Frauen, wo Djeneba Toure (ATG) sowie Bettina Weber (SVS LA) ihre Titel verteidigen sollten. Will Dibo (SKV Feuerwehr Wien) hat im Kugelstoß der Männer heuer bereits mehr als 2m weiter als die Konkurrenz gestoßen und ist somit in dieser Disziplin eine sichere Wette. Auch im Hammerwurf ist er mit Abstand die Nummer 1 der Meldeliste, im Diskuswurf die Nummer 2, der Wiener könnte also der erfolgreichste Athlet dieser Meisterschaften werden. Der letzte Wurfbewerb, der Speerwurf, sollte nach Salzburg gehen, Laurenz Waldbauer scheint zu überlegen zu sein.

Der 5.000m-Bewerb wurde dieses Jahr vorgezogen und fand bereits letzten Samstag im Rahmen des Austrian Top Meetings in Wien statt. Die Titel holten Sandra Schauer (Union St.Pölten) und Sebastian Frey (DSG Wien).

Foto © ÖLV / Alfred Nevsimal

Text: ÖLV